Es gibt echtes Hungergefühl. Und dann gibt es diesen anderen Typen. Den, der abends um 21:42 anklopft, obwohl man eigentlich längst satt ist. Der, der sich meldet, sobald es auf dem Sofa ruhig wird. Der, der einen sanft zum Kühlschrank lenkt, obwohl der Kopf ganz klar sagt: Lass es.
Ich nenne ihn den falschen Hunger. Und der hat Charme. Der kommt rein wie ein überzeugender Schauspieler: mit Dringlichkeit in der Stimme und dem Blick von echtem Mangel. Dabei verdaut der Magen noch die Pasta vom Abend und der Blutzucker ist auf Wellnessreise. Trotzdem raunt er: „Ein kleines Brötchen wär doch nett? Vielleicht ’n Joghurt? Etwas Käse?“ Zack, steht man da. Tür auf. Licht an. Gehirn im Standby.
Früher dachte ich: Hunger ist Hunger. Wenn der Bauch sich meldet, muss man was essen. Heute höre ich genauer hin. Ist das wirklich Hunger – oder bloß eine Pause, die sich nach Inhalt sehnt? Ein Echo vom Tag, das noch nachhallt? Oder nur ein Anflug von Langeweile mit Geschmacksträger?
Der falsche Hunger kommt selten laut daher. Er trägt Jogginghose. Kennt den Weg. Wirkt harmlos. Und manchmal kriegt er, was er will – weil ich unachtsam bin. Oder, ganz ehrlich, weil ich ihn sehe und mir denke: „Na gut. Heute gewinnst du halt.“
Aber immer öfter bleib ich einfach sitzen. Lächle. Weil ich ihn erkenne. Weil ich weiß: Du bist gar kein Hunger, du bist Gewohnheit. Und dann mach ich mir ’nen Tee. Oder putz die Zähne. Oder schreibe diesen Text.
Und dann zieht er weiter. Nörgelt noch ein bisschen. Aber ohne viel Aufhebens.
Er wird wiederkommen. Klar. Allerdings kenne ich ihn jetzt. Und vielleicht, irgendwann, können wir ganz friedlich nebeneinander existieren. Ich esse, wenn ich Hunger habe. Und wenn nicht – dann eben nicht.
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