Wenn man drei Mal die Woche laufen geht, lernt man das Wetter kennen. Und zwar intim. Ich kenne die Nieselregen, die sich an den Kragen schleichen. Ich kenne den Regen, der sich nicht für Physik interessiert und im Minutentakt aus verschiedenen Richtungen kommt. Oder überraschender Weise gleich von allen Seiten. Ich kenne das Gefühl von nassen Schnee, der sich ohrfeigengleich auf das Gesicht klatscht. Und ich weiß, wie sich 25 Grad anfühlen, wenn man den falschen, baumfreien Weg um den See gewählt hat.
Ich liebe es. Verrückt, oder?
Das war mal anders. Da reichte ein skeptischer Blick in den Himmel und jede Aktivität war gestrichen. Vielleicht war ich damals auch eher dankbar für jede Ausrede, die das Sofa rechtfertigte. Wenn es nicht gerade gewittert oder im Winter die Minus fünf Grad unterschritten werden, laufe ich. Warum? Weil es mich immer wieder überrascht, wie gut das Gefühl sein kann, wenn man so richtig gegen die Elemente kämpfen musste und sich dabei nicht hat unterkriegen lassen.
Regen: Der stille Motivator
Der erste Lauf im Regen war übel. Ich hatte das Gefühl, jeder Tropfen sei ein Vorwurf. Aber irgendwann war ich zu nass, um umzukehren. Und dann kam dieser Moment, in dem ich merkte: Ich laufe immer noch. Und irgendwie sogar gut. Irgendwann nimmt man sogar die Pfützen mit. Ist man einmal komplett nass, ist es egal, ob die Flüssigkeit am Ende auch von unten kommt.
Regen hat eine besondere Wirkung. Er macht bescheiden. Man wird langsamer, konzentrierter. Bestimmter. Man wird nicht beklatscht, aber man fühlt sich großartig. Vielleicht, weil man läuft, während andere drinnen bleiben. Ich steigere mich dann in eine „Jetzt erst recht!“-Laune hinein.
Hitze: Der heimliche Endgegner
Läufe bei über 25 Grad sind keine Sporteinheit, sie sind ein mentaler Verhandlungstisch. Alles in mir schreit: „Geh doch einfach!“ Aber ich bleibe dran. Weniger wegen der Fitness. Mehr, weil ich nicht schon wieder nach zwei Kilometern aufgeben will.
Hitze fordert auf eine stille Art. Sie schaltet Gespräche im Kopf ab. Da ist kein Platz für Probleme, wenn man um Luft ringt. Nur die Wasserflasche bekommt in diesen Momenten volle Aufmerksamkeit. Sie ist die wahre Heldin – unscheinbar, aber unersetzlich. Meine Regel: Bei 30 Grad wird nicht mehr gejoggt. Entweder ich laufe dann morgens, wenn es noch angenehm kühl ist. Oder ich gehe gemütlich meine Runde und genieße einen lockeren Spaziergang.
Wind: Der unterschätzte Widerstand
Wind ist ein hinterlistiger Gegner. Von hinten kaum zu spüren. Von vorn wie ein sturer Nachbar mit Laubbläser. Er nervt, bremst, zerrt. Aber er trainiert auch. Wer mit Gegenwind klarkommt, kommt auch mit anderen Störfaktoren klar.
Laufen bei jedem Wetter ist für mich keine sportliche Glanzleistung. Es ist ein Charaktertest. Und manchmal auch eine Art Alltagsprotest. Gegen Bequemlichkeit. Gegen Ausreden. Gegen die Idee, dass alles perfekt sein muss, damit man losläuft.
Ich laufe. Auch wenn der Himmel graut, der Wind pfeift oder der Asphalt glüht. Und meistens merke ich erst hinterher: Das war genau richtig so.
Bild von Jochen Kliß auf Pixabay
Entdecke mehr von Leicht gesagt!
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.