Es gibt sie, diese Abende. Der Tag war lang, die Laune mittel, der Kühlschrank voll. Und plötzlich stehe ich da – Gabel in der einen, Käsewürfel in der anderen Hand – und frage mich, ob ich gerade in einer Art kulinarischen Ausnahmezustand geraten bin. Ein Fressflash, wie er im Buche steht. Man kennt’s. Also ich jedenfalls ziemlich gut.
Diplomatie am Küchentisch
Es gab eine Zeit, da hätte ich mir in solchen Momenten sofort ein schlechtes Gewissen eingeredet. Heute schaue ich hin, manchmal seufze ich, manchmal lache ich – aber ich versuche, fair mit mir zu bleiben. Statt mir selbst Vorwürfe zu machen, denke ich inzwischen eher: „Okay, was genau ist hier eigentlich los?“
Denn: Ich faste ja inzwischen regelmäßig im 16:8-Rhythmus. Das klingt kontrolliert, geplant und ziemlich erwachsen. Und es funktioniert auch – meistens. Aber Fastenfenster sind keine Burggräben. Manchmal plumpse ich drüber.
Wenn die Gewohnheit klopft
Die eigentliche Herausforderung beginnt nicht beim ersten Bissen. Sondern beim Gefühl davor. Müdigkeit. Frust. Einsamkeit. Oder einfach Langeweile. Manchmal ist das Essen in solchen Momenten wie ein alter Freund, der unangekündigt vorbeikommt. Man weiß, dass er manchmal schlechte Laune mitbringt, aber hey – er bringt auch Chips.
Was ich gelernt habe: Nicht jeder Besuch muss eskalieren. Manchmal reicht ein kleiner Snack, ein bewusster Genussmoment – kein Kontrollverlust. Ich versuche, achtsam zu bleiben, auch wenn’s gerade nicht perfekt läuft. Manchmal klappt das erstaunlich gut. Manchmal auch nicht.
Strategien, die nicht nerven
Ich habe inzwischen ein paar Strategien gefunden, die sich in meinem Alltag gut bewährt haben – nicht perfekt, aber praktikabel. Zum Beispiel halte ich keine „Notfall-Schokolade“ mehr im Haus. Wenn mich abends doch mal der Appetit überkommt, müsste ich tatsächlich vor die Tür. Und meistens vergeht mir der Gusto dann schon auf dem Weg zur Jacke.
Abends esse ich in der Regel früh, meist deutlich vor 20 Uhr. Um Heißhunger später zu vermeiden, hilft mir eine eiweißreiche Mahlzeit. Damit bleibe ich länger satt – körperlich wie mental. Und sollte sich doch mal der dringende Wunsch nach etwas Süßem einschleichen, dann ersetze ich das Abendessen eben durch eine Tafel Schokolade. Nicht regelmäßig, aber manchmal ist das genau die Lösung, die ich an dem Tag brauche. Wenn ich das schon mittags ahne, passe ich mein Essen entsprechend an und plane den „Kakaoabend“ einfach mit ein.
Insgesamt habe ich angefangen, meine Ernährung so umzustellen, dass sie mir wirklich nützt – nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Lebensmittel wie Nudeln, Reis oder rotes Fleisch, die mir nicht viel geben und für meine Ziele wenig bringen, habe ich größtenteils gestrichen. Stattdessen landen jetzt Gemüse-Mischungen als Sättigungsbeilage, meistens mitsamt einer beliebigen Proteinquelle, auf dem Teller. Und das Schöne daran: Ich kann oft sogar mehr essen – einfach, weil das Volumen steigt, aber die Kalorienzahl überschaubar bleibt.
Unperfektion als Prinzip
Dieser Weg ist nicht linear. Und schon gar nicht perfekt. Aber genau das macht ihn für mich so wertvoll. Ich habe aufgehört, den perfekten Plan zu suchen. Stattdessen lerne ich, mit mir selbst in Beziehung zu treten – mit allem, was dazugehört: alten Mustern, neuen Erkenntnissen und gelegentlichen Ausrutschern. Es geht nicht darum, eine Ideallinie zu verfolgen, sondern beweglich zu bleiben, aufmerksam zu sein und auch mal zu sagen: Heute war’s nichts – aber morgen ist wieder eine neue Chance.
Ich erkenne immer mehr: Es ist nicht der gerade Weg, der mich weiterbringt, sondern der, auf dem ich stehen bleiben, umdrehen, abbiegen und trotzdem weitermachen darf. Und wenn ich mir diesen Spielraum zugestehe, wird aus dem „Fehler“ oft eine Einsicht, aus dem Stillstand eine Pause – und aus der Reise ein echtes Lernen. Ich lerne mich besser kennen. Und das ist vielleicht der schönste Nebeneffekt dieser ganzen Geschichte.
Bild aus der kostenlose Foto-Bibliothek @ Pixabay
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