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Der innere Kritiker mit Bierbauch

Es gibt diesen Typen in meinem Kopf. Nennen wir ihn Karl. Karl ist nicht besonders nett. Er hat ’nen ordentlichen Bierbauch, sitzt in meinem mentalen Sessel und kommentiert alles, was ich tue. Vor allem, wenn’s ums Abnehmen geht. „Na, schon wieder ’ne Nummer größer bestellt?“ oder „Glaubst du wirklich, dass du das durchhältst?“ – Karl ist immer zur Stelle.

Am Anfang hab ich ihm noch alles geglaubt. Schließlich kommt die Stimme ja von mir, oder? Aber irgendwann hab ich gemerkt: Karl ist alt. Nicht weise-alt, sondern abgenutzt-alt. Ein Echo früherer Zweifel, ein Überbleibsel aus Zeiten, in denen ich dachte, ich müsste mich kleinhalten, um besser zu werden. Und nur weil Karl den Mund aufmacht, heißt das noch lange nicht, dass ich ihm zuhören muss.

Nörgelei mit Ansage

Also hab ich ihn mir mal genauer angeschaut. Wenn er loslegte, hab ich geantwortet: „Danke für deinen Input, Karl. Aber diesmal mach ich’s anders.“ Und ja, er taucht immer noch auf – besonders an Tagen, an denen ich sowieso schon durchhänge. Nach stressigen Momenten, beim Blick in den Spiegel oder wenn die Waage wieder Launen hat. Dann kommt er mit seinen alten Sprüchen um die Ecke: „Ist doch eh sinnlos.“ oder „Du wirst dich nie wohlfühlen.“

Irgendwann wurde mir klar: Karl ist nicht der Feind. Er ist eher so eine Figur aus einer alten Fernsehserie – nervig, aber bekannt. Man kann ihn nicht einfach rausschneiden, aber man muss ihm auch keine Hauptrolle mehr geben. Und je öfter ich mich entscheide, ihm nicht das letzte Wort zu lassen, desto leiser wird er. Nicht weg – aber leiser. Und das reicht oft schon, um Dinge anders zu machen. Aus einem besseren Gefühl heraus. Nicht aus Angst. Sondern weil ich’s mir wert bin.

Zwischenruf mit Nebenrolle

Es geht also nicht darum, diesen inneren Kritiker wegzukriegen. Sondern darum, zu merken, dass er nicht das Sagen hat. Dass ich zwischen seinem Kommentar und meiner Reaktion entscheiden kann, was ich draus mache. Und genau in dieser Lücke liegt Freiheit. Die Freiheit, zu sagen: „Ich hör dich, Karl. Aber ich mach’s trotzdem.“

Karl sitzt noch da. In seinem Sessel. Meistens nörgelnd, manchmal einfach still. Und ich? Ich geh meinen Weg. Mit kleinen Schritten, manchmal mit Rückwegen, manchmal mit richtig guten Tagen. Und immer öfter mit dem Gefühl: Ich bin nicht gegen mich. Ich bin auf meiner Seite.

Denn was sich wirklich verändert hat, ist nicht Karl. Sondern mein Umgang mit ihm. Und das ist mehr, als ich früher je für möglich gehalten hätte.


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