Es gibt Geburtstage, die sich in der Zahl harmlos anhören, aber beim Blick in den Spiegel den Soundtrack von „2001: Odyssee im Weltraum“ auslösen. Fünfzig zum Beispiel. Oder einundfünfzig. Wobei letzterer irgendwie schlimmer ist, weil man da nicht mal mehr sagen kann: „Ich bin gerade fünfzig geworden.“
Also gut, ich bin einundfünfzig. Und ich jogge. Noch immer. Oder wieder. Oder besser als früher. Je nachdem, wie man es sehen will. Ich hätte auch eine Midlife-Crisis mit Cabrio und Proteinshakes inszenieren können. Stattdessen renne ich durch den Wald und denke über meine Knie nach.
Die ersten Schritte nach dem „halb-voll“-Geburtstag
Man stellt fest: Der Körper merkt sich alles. Jeden Chip. Jeden Liegestuhl. Und jedes Jahr, in dem man Joggen als Sekte von Sadisten abgetan hat. Aber irgendwas hat sich verändert. Früher wollte ich beim Laufen Kalorien verbrennen. Jetzt will ich vor allem den Kopf frei bekommen.
Ich höre Musik dabei. Meistens. Ich habe meine Playlist, die mich begleitet – nicht antreibt, sondern einrahmt. Trotzdem ist der Wunsch, durch das Laufen zu mir zu finden, stärker geworden. Ich laufe und atme. Und wenn’s gut läuft, höre ich auf zu denken. Oder ich denke zu viel, vergesse, dass ich laufe, und nehme den falschen Weg.
Tempo ist ein Relikt aus der Jugend
Früher wollte ich „schneller werden“. Heute will ich überhaupt loslaufen. Die beste Pace ist die, bei der man nicht aufhört. Und das Schöne ist: Mein Körper spielt mit. Kein Zwicken, kein Jammern. Hätte ich Schmerzen, würde ich nicht laufen. Das Gegenteil ist der Fall: Laufen tut mir gut – und das gute Gefühl beginnt nicht erst danach, sondern mittendrin.
Ich baue Muskeln auf, mein Herz-Kreislauf-System wird belastbarer, mein Stand stabiler. Ich kann jetzt sogar wieder Socken im Stehen anziehen – ein kleiner Sieg des Gleichgewichts. Und bei jedem Lauf bestätige ich mir: Ich bin noch leistungsfähig. Das tut der Seele gut. Meiner jedenfalls.
Ich laufe auch nicht immer die gleiche Strecke. Ich habe ein Set aus zwei bis drei Routen mit unterschiedlichen Profilen, die ich nach Lust und Laune kombiniere. Mal sanft, mal anspruchsvoller. Hauptsache, ich bin unterwegs.
Joggen ist kein Jungbrunnen – aber ein gutes Werkzeug
Ich werde keine zehn Jahre jünger. Aber ich werde wacher. Aufmerksamer. Und manchmal – für zehn Minuten zwischen Kilometer sieben und acht– sogar sowas wie leicht. Nicht körperlich, aber im Kopf. Und das reicht. Denn es ist meine Art, dem Älterwerden nicht einfach zuzusehen, sondern ihm locker die Zunge rauszustrecken.
Also ja: Joggen über fünfzig ist anders. Es ist gelassener. Ruhiger. Und in gewisser Weise sogar schöner. Weil man nicht mehr rennt, um zu entkommen. Sondern um da zu sein.
Manchmal, aber wirklich nur manchmal, gewinnt der 25 jährige in mir und verlangt ein Pace im maximalen Leistungsbereich. Er möchte dann, dass ich mich messe, mit mir selbst. Und nach einem Jahr Laufen, nach drei Übungen in jeder Woche in diesem Jahr, kann ich ab und zu dem kompetitiven Verlangen, des unentspannten Hoschis aus der Vergangenheit, nachgeben. Und auch daran Spaß empfinden.
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