Laufen hat für mich zwei Seiten: Die eine heißt pure Bewegung – die andere heißt Statistik. Ich liebe beides. Natürlich gibt es Menschen, die einfach loslaufen, ohne einen einzigen Wert zu messen. Ich bewundere das. Aber ehrlich? Mir machen Zahlen Spaß. Kilometer, Pace, Herzfrequenz, Höhenmeter – ich feiere sie alle. Und wehe, die Uhr zeichnet meinen Lauf nicht korrekt auf! Dann bin ich kurz davor, meinen Tag für gescheitert zu erklären.
Das Absurde: Je mehr Zahlen, desto besser das Gefühl. Nichts ist schöner, als nach dem Lauf durch die Statistiken zu scrollen und sich in Diagrammen zu verlieren, als hätte man gerade die Aktienmärkte von New York analysiert. Und natürlich will ich Fortschritt sehen – im besten Fall mit Pfeil nach oben. Die Ernüchterung folgt, wenn es mal nicht so läuft: Dann erklärt mir mein innerer Schweinehund, dass die Strecke „eigentlich länger war, nur der Satellit hat gepennt“.
Puls, Laune, Nachbarn – alles außer Kilometer?
Klar, ich bin flexibler geworden. Früher stand die Streckenlänge fest wie das Amen in der Kirche. Heute? Will ich mindestens 7,5 Kilometer schaffen. Manchmal werden’s auch zehn – aber es kommt vor, dass ich nach fünf Kilometern abbiege, wenn der Tag einfach nicht mein Freund sein will. Das passiert selten, aber immerhin: Ich höre inzwischen auf meinen Körper und laufe nicht mehr blind jeder Vorgabe hinterher.
Trotzdem genieße ich es, wenn nach jedem Kilometer meine Uhr meine Musik unterbricht und mir nüchtern Metriken durchgibt. Die Stimme klingt wie ein schlecht gelaunter Radiomoderator am Montagmorgen, aber ich mag es. Ich muss nicht mal auf die Uhr schauen, um zu wissen, dass ich noch am Leben bin und vorwärtskomme.
Zahlenmystik und das kleine Wunder zwischendrin
Natürlich gibt es diese besonderen Läufe, bei denen ich die Zahlen kurz vergesse. Wenn das Wetter passt, der Kopf leer ist und ich in den berühmten Flow rutsche, der angeblich allen Joggern regelmäßig passiert – außer mir, aber heute eben doch. Dann nehme ich das Geschehen um mich herum wahr: Der Nachbar mit Hund, der mich skeptisch mustert, die Rentnerin mit Hut, die mich anfeuert (oder auslacht?). Und ich freue mich, dass ich überhaupt laufe. Noch vor zwei Jahren hätte ich jedem erzählt, dass Joggen die schlimmste Idee der Welt ist. Und umgehend eine Currywurst bestellt.
Vielleicht bin ich also doch beides: Zahlenfreak mit gelegentlichen Flow-Momenten. Wer sagt, man muss sich entscheiden? Ich jedenfalls feiere jeden Kilometer, den mir meine Uhr meldet – und zur Not auch den, den sie verschluckt hat.
Bild von Carlos Bohorquez auf Pixabay
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