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Langsam laufen lernen: Warum es härter ist als schnell zu rennen

Der größte Feind beim Laufen ist nicht der innere Schweinehund. Es ist das Tempo.

Nicht das hohe, sondern das niedrige.

Für die eigenen Verhältnisse Schnell zu laufen fühlt sich heldenhaft an. Man spürt den Fortschritt, die Kraft, den Fluss. Man sieht, wie die Pace auf der Uhr runtergeht, und man fühlt sich dabei wie ein Profi. Kurz: schnell laufen belohnt sofort.

Langsam laufen dagegen? Fühlt sich falsch an. Träge. Unmännlich, fast. „Was sollen die Leute denken?“, flüstert der Kopf. „Du bist doch kein Anfänger mehr.“ 

Man möchte jeden anderen Läufer auf der Strecke, als Erklärung für das Schauspiel, gerne zurufen „Hey….eigentlich kann ich schneller Laufen. Ich mache nur ein Zone-2-Training. Zone 2, Alter!!!!“

Aber langsam zu laufen ist eine Superkraft. Man muss sie nur erst freilegen.

Rennen wollen, wenn man gehen sollte

Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich kapiert habe, dass ich zu schnell laufe. Nicht zu schnell für die Welt. Zu schnell für mich. Ich war nach jedem Lauf platt. Nicht zufrieden-platt, sondern Mülltonnen-platt. Kein Bock auf den nächsten Tag, keine Freude auf den nächsten Lauf. Meine Zeiten stagnierten, nichts ging voran, kurz: Ich steckte fest!

Die Lösung lag direkt vor mir: Tempo rausnehmen, Schritt für Schritt – nicht für die Uhr, sondern für mich. Aber das ist gar nicht so einfach.

Langsam laufen wirkt wie ein Rückschritt. Mein Kopf protestierte: „Jetzt kannst du zehn Kilometer durchlaufen, und jetzt sollst du wieder wie ein Jogger aussehen, der auf den Bus zu rennt?“ oder „was wohl die anderen über Dich denken?“

Ich musste lernen, mein Ego zu parken. Und ich meine wirklich: einparken, aussteigen, Schlüssel abziehen.

Langsam laufen ist Training, kein Versagen

Ich dachte lange, dass langsames Laufen für Anfänger ist. Langsames laufen wäre also ein Umstand, den man ausgeliefert sei, weil man einfach nicht viel schneller kann. Aber das Gegenteil ist richtig: Wer nicht langsam laufen kann, ist kein Fortgeschrittener. Er ist getrieben. Dabei ist „langsam“ ein persönlich definierter Term. Für mich bedeutet „langsam“, wenn ich 60-90 Sekunden aus meiner möglichen Pace nehme. 

Ich musste verstehen, dass mein Puls, meine Erholung, meine Motivation alle davon profitieren, wenn ich langsamer laufe. Dass ich weiterkomme, wenn ich mich zügle.

Inzwischen ist mein „Slow Run“ heiliger als mein Long Run. Ich plane ihn bewusst. Ich genieße ihn. Gerne laufe ich dann in Gesellschaft und quatsche über Gott und die Welt. Langsam laufen zeigt dir, ob du laufen liebst. Denn du bekommst nichts geschenkt: kein Tempo-High, keine schnelle Statistik, keinen Schulterklopfer von der App. Nur dich. Und dein Atem-Rhythmus.

Langsam Laufen ist nicht alles

Ich hab mich oft gefragt, warum es mir schwerfällt, langsam zu laufen. Die Antwort ist simpel: Weil ich dann mehr spüre. Meinen Körper, meine Gedanken, meinen Widerstand. Ich kann nichts überrennen. Ich bin gezwungen, da zu bleiben. Im Moment. Nicht bei Spotify. Nicht bei Strava. Nicht auf der Jagd nach der nächsten persönlichen Bestzeit. Nur bei mir.

Aber: Langsam laufen ist nicht die Antwort auf alles. Es ist das Fundament – aber kein ganzes Haus.

Etwa 80 Prozent meiner Läufe sind in diesem ruhigen Tempo. Sie bauen meine Ausdauer, meine Basis, meinen Kopf. Aber manchmal braucht es eben auch den Sprint. Oder das Brennen in der Lunge beim Intervall. Oder den Tempolauf, bei dem der Körper meckert und der Kopf staunt.

Ich liebe das langsame Laufen. Aber ich will nicht einrosten. Wer es platt mag: Wer immer nur cruised, verlernt zu fliegen. Deswegen gibt’s auch Tage, an denen die Uhr wieder wichtiger wird. Dann darf es auch mal krachen. Und das ist okay.

Denn langsam laufen ist die Basis. Nicht die Grenze.


Bild von Pexels auf Pixabay


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