Es gibt Tage, an denen sitzt dir niemand gegenüber – und trotzdem wirst du den ganzen Tag beschimpft. Von dir selbst. Der innere Kritiker legt los, sobald du die Augen aufmachst: „Das wird heute eh wieder nichts.“ Beim Blick in den Spiegel: „Guck dich doch mal an.“ Und beim Gedanken ans Laufen: „Du bist nicht der Typ für Sport. Warst du nie.“
Ich kenne das gut. Gerade als jemand, der lange übergewichtig war, habe ich gelernt, dass der schlimmste Gegner oft nicht die Waage, nicht der Burger und nicht der Alltag ist – sondern die eigene Stimme im Kopf.
Die leise Gewalt der Selbstgespräche
Als dicker Mensch bekommst du viele kleine Botschaften: „Du passt hier nicht rein.“ Sei es in den Sitzen der Bahn, beim Kleiderkauf oder in den Augen fremder Menschen. Oft sagt das keiner direkt. Aber du spürst es. Täglich. Diese stete Wiederholung von „Du bist zu viel“ wird zur inneren Wahrheit. Und plötzlich braucht es keinen anderen mehr. Du kommentierst dich selbst. Hart, unfair und entmutigend.
Wie ich rauskomme, wenn ich drin bin
Ich habe keine Anleitung mit Gütesiegel. Aber ein paar Dinge, die bei mir wirken.
1. Ich sammle Beweise.
Mein Kopf behauptet: „Du kommst nicht voran.“ Die Waage sagt: „Drei Kilo runter.“ Die App sagt: „10.000 Schritte gemacht.“ Das sind meine Gegenargumente. Objektive Daten, die mich daran erinnern, dass mein Gefühl nicht immer Recht hat.
2. Ich mache Dinge für mich.
Nicht für den BMI. Nicht für die Likes. Ich gehe laufen, weil ich die Stunde draußen liebe. Weil ich dann mit mir allein bin. Und weil ich etwas kann, das ich früher für unmöglich hielt.
3. Ich zerlege das Monster.
Abnehmen ist ein Riesenprojekt. Ich mache kleine Missionen draus. Heute: 500 Kalorien einsparen. Nicht: Mein Leben neu erfinden. Kein Großprojekt. Kein Masterplan. Nur ein Schritt. Teile und herrsche – hilft auch privat.
4. Ich bin mein eigener Cheerleader.
Wenn was gut läuft, sage ich das auch. Laut. Ich klopfe mir verbal auf die Schulter, denn diese „mentalen Drops“ schmecken besser als jede Schokolade. Und sie geben mir das Gefühl: Ich bin auf meiner Seite.
5. Ich drücke auch mal auf Pause.
Nicht jeden Tag muss ich an mir arbeiten. Manchmal esse ich Currywurst. Mit Pommes. Und Mayo. Ohne Schuldgefühle. Das ist mein Kurzurlaub vom Optimierungswahn. Denn wer sich nie ausruht, wird irgendwann liegen bleiben.
Rede mit dir, wie mit einem Freund
Der Kopf muss nicht immer mitlaufen. Aber er sollte nicht im Weg stehen. Ich übe, mit mir selbst so zu sprechen, wie ich mit einem guten Freund sprechen würde: Wohlwollend. Motivierend. Was nützt der beste Ernährungsplan, wenn der innere Kommentator alles madig macht? Es verdrängt die negativen Gedanken nicht – aber es setzt ihnen etwas entgegen.
Wenn du also das nächste Mal denkst: „Ich schaff das eh nicht“, dann sag dir: „Vielleicht stimmt das nicht. Vielleicht laufe ich gleich los. Und vielleicht reicht das für heute.“
Bild von Leopold Böttcher auf Pixabay
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