Die Schwerkraft hat ein garstiges Wesen. Wenn sie ein Mensch wäre, dann eine konservative Bibliothekarin aus den Fünfzigern – mit antiquierten Vorstellungen. Und sie mochte mich nicht. Jedenfalls zog sie an mir. Unaufhaltsam.
November 2020. Ich sitze auf meiner Couch, schwer atmend, die Einkaufstaschen wie Trophäen neben mir. Zehn Stufen. Mehr brauchte es nicht. Mein Körper reagierte, als wäre ich gerade in einem Ultramarathon kollabiert. Puls 200. Dampf schoss beinahe aus den Ohren. Mein Hirn: „Uff.“
Da war kein Zweifel mehr: Mein Körper reichte die Rote Karte ein. Und zwar wortlos, aber mit Nachdruck. Es war nicht das erste Warnsignal. Aber eines, das sogar meine hartnäckige Verdrängung nicht mehr wegerklären konnte. Warum das plötzlich so kam? Vielleicht weil ich jahrelang jede Form von Bewegung mit Ausreden erschlagen hatte, bevor so etwas wie Motivation aufkeimen konnte.
Im Hintergrund dudelte das Fernsehen. Es waberte etwas zwischen Fakten, Meinungen, Fiktion und dem, was Zuschauer oft fälschlich für eine fundierte Haltung hielten. Vielleicht hab ich ja Corona? Vielleicht ist das mit dem Schnaufen gar nicht mein Gewicht, sondern einfach nur ein chinesischer Virus, der meine Lunge blockiert? Irgendwas zwischen Fakten, Meinungen und Verschwörungsrhetorik.
Ich erwog kurz, Panik zu kriegen, entschied mich dann aber für Gyros. Der Grieche meines Vertrauens wartete. Mein Puls war mittlerweile wieder auf Normalbetrieb. Mein Entschluss stand fest: „Ich mach morgen einen Termin beim Arzt.“
Jetzt erst einmal: Gyros! Mit Pommes. Unbedingt mit Mayo. Mit viel Mayo. Das letzte Mal. Vielleicht aber auch nur das letzte Mal, dass ich mir eingeredet habe, es sei nicht mein eigenes Verhalten, das mich keuchend auf die Couch trieb.
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